Sinnvoller Video-Content für PatientInnen: So macht es die britische Klinik „London Pregnancy Clinic“

LPC cover (2)

Wir erleben aktuell eine bedeutende Veränderung im Gesundheitswesen: Immer öfter nutzen SpezialistInnen Videoinhalte als Möglichkeit, um PatientInnen im Internet anzusprechen und zu informieren. Im Jahr 2022 erhielten gesundheitsbezogene Videos auf YouTube in Großbritannien 3 Milliarden und weltweit 110 Milliarden Aufrufe, was die steigende Nachfrage nach zuverlässigen Gesundheitsinformationen verdeutlicht, die über soziale Medien leicht zugänglich sind.

Die London Pregnancy Clinic (LPC) steht bei diesem Wandel an vorderster Front und beeindruckt mit über 20.000 AbonnentInnen und mehr als 11 Millionen Klicks auf YouTube. Mit ihrem umfassenden medizinischen Wissen und ihrer Expertise bei Ultraschalls und fetaler Entwicklung will diese Einrichtung neue Wege gehen und werdende Eltern effektiv informieren, aufklären und begleiten, indem sie ihnen die Schwangerschaftsvorsorge leicht macht.
In unserem Interview mit Tom Ushakov, Creative and Strategy Director bei London Pregnancy Clinic, erfahren wir, was das Geheimnis ihres Erfolgs ist. Tom gibt GesundheitsdienstleisterInnen, die ansprechenden Content erstellen möchten, wertvolle Tipps, spricht über Erkenntnisse und bietet Einblicke, wie Videoinhalte für verschiedene Plattformen effektiv strukturiert werden können.

Doctify: Tom, wir sind fasziniert davon, wie Sie Videos als Content nutzen, um das Vertrauen von PatientInnen zu gewinnen, vor allem da die London Pregnancy Clinic mit fast 12 Millionen Klicks auf YouTube so erfolgreich ist. Können Sie uns erzählen, wie es dazu kam und wie sich das entwickelt hat? Wie setzt die London Pregnancy Clinic Videoinhalte ein, um PatientInnen anzusprechen, und welche Arten von Videos haben bei werdenden Eltern am meisten Anklang gefunden?

Tom Ushakov:  Zunächst haben wir uns auf Erklärvideos eigens für medizinische Fachkräfte konzentriert. Darin ging es um spezielle Ultraschall-Bildgebungsverfahren zur Erkennung von Auffälligkeiten und die visuellen Muster, auf die ÄrztInnen bei den Untersuchungen achten sollten. In letzter Zeit waren unsere erfolgreichsten Videos jene, in denen die Entwicklung des Fötus im Mutterleib erklärt wird. Das ist eine Serie mit dem Titel „Pregnancy Week-by-Week“. Darin beschreiben wir in kurzen, einminütigen Beiträgen, zu welchen wichtigen Veränderungen es Woche für Woche im Mutterleib kommt, die im Ultraschall zu sehen sind. Diese richten sich an werdende Eltern, damit sie sich besser vorstellen können, was während der Schwangerschaft passiert. Die meisten Mütter in Großbritannien bekommen vom NHS (dem staatlichen Gesundheitsdienst) nur zwei Ultraschalls und wissen nicht, wie das Baby in den verschiedenen Stadien aussieht. Wir wollten sie deshalb informieren und ihnen zeigen, wie sich ihr Baby entwickelt.

Doctify: Das ist eine tolle Idee! Ich kann mir vorstellen, dass angehende Eltern dies hilfreich und beruhigend finden. Wie entscheiden Sie, welche Themen sich am besten für Videoinhalte eignen, verglichen mit anderen Content-Formen?

Tom Ushakov: Die Entscheidung, welche Themen zu Videos werden, hängt von zwei wichtigen Faktoren ab: den Bedürfnissen des Zielpublikums und der Komplexität des Inhalts. Auf unserer Website gibt es umfassende medizinische Informationen, aber uns ist auch klar, dass dies Eltern überfordern kann. Dafür sind unsere Videos nützlich. Damit können wir komplexe Themen in leicht verständliche Beiträge zerlegen, häufig gestellte Fragen (FAQs) beantworten und visuelle Elemente (bewegte Grafiken) einsetzen, um für ein besseres Verständnis zu sorgen.

In der Regel erhalten wir viele Fragen direkt von den PatientInnen, wenn sie sich telefonisch zu unseren Leistungen erkundigen oder bei uns zum Termin da sind. Diese direkten Rückmeldungen helfen uns, zu verstehen, welche Themen für Verwirrung sorgen oder einer weiteren Erklärung bedürfen. Meist sind es ähnliche Fragen, die auftauchen, und so können wir genau auf diese eingehen.

Doctify: Das ist sehr informativ. Es klingt, als hätten Sie einen stark patientenorientierten Ansatz. Können Sie uns erklären, wie Sie Videos speziell für Social Media planen, aufnehmen und bearbeiten? Wie wählen Sie die Themen und Formate aus, die auf den verschiedenen Plattformen am besten funktionieren?

Tom Ushakov: Der Prozess, wie wir Videos für Social Media erstellen, lebt von Zusammenarbeit! Die Themen für Videos werden vorab festgelegt. Dann planen wir einen eigenen „Medientag“ mit unserem tollen Expertenteam. Das Personal am Empfang und die medizinischen Fachkräfte sammeln Fragen, die häufig gestellt werden, und beantworten diese stichpunktartig. Dies bildet die Grundlage für meine Skripte, die ich dann im Austausch mit dem medizinischen Team erstelle. So kann ich vor Abschluss des Skripts sicher sein, dass jedes Detail medizinisch korrekt und verständlich formuliert ist. Am Medientag unterstützt uns ein erfahrener Videograf beim Aufnehmen der Videos. Da ich mich auch um die Bearbeitung kümmere, ist es ungemein nützlich, ein Team im Haus zu haben. Das fördert die nahtlose Kommunikation und ermöglicht es allen, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten: die Erstellung informativer und ansprechender Videos für die sozialen Medien.

Doctify: Teamwork zahlt sich aus! Gab es auch Hürden? Wie haben Sie diese überwunden?

Tom Ushakov: Die größte Herausforderung für uns war, die perfekte Balance zwischen Verständlichkeit, Aufmerksamkeit und medizinischer Genauigkeit zu finden. Bei längeren Videos ist es schwierig, die Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen zu halten und sich nicht zu wiederholen. Wir versuchen, uns auf Prägnanz, visuelles Storytelling und zielgerichtete Inhalte zu konzentrieren. Wir passen die Länge des Inhalts an das jeweilige Thema an. Bei bestimmten komplexen Themen kann ein etwas längeres Video von Vorteil sein, aber wir bemühen uns immer, ein möglichst prägnantes und ansprechendes Format zu finden.

Doctify: Das klingt, als hätten Sie eine sehr präzise Herangehensweise. Mit welchem Video haben Sie am meisten Aufmerksamkeit generiert, und was hat Ihrer Meinung nach zu seinem Erfolg beigetragen?

Tom Ushakov: Unsere ansprechendste Videoreihe beruht auf folgendem Erfolgsrezept: kurz, visuell interessant, schlüssig und prägnant dargestellte Themen. Bei jedem Video geht es um einen einzigen Sachverhalt, damit die ZuseherInnen die Informationen in einer Minute erfassen können. Der Fokus und die Kürze sorgen dafür, dass das Publikum dranbleibt und die Serie ein Erfolg wird.

Unserer Meinung nach liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, dass diese Serie zugleich leicht verständlich als auch besonders interessant ist. Komplexe medizinische Informationen werden in leicht verdauliche Häppchen aufgeteilt und die BetrachterInnen visuell bei der Stange gehalten. Das episodische Format von „Pregnancy Week-by-Week“ steigert die Vorfreude und bringt die Leute dazu, sich auch immer das nächste Video anzusehen. Um die ZuschauerInnen richtig zu informieren und zu begeistern, muss man strategisch vorgehen. Zunächst stehen bei unseren Skripten klare medizinische Fakten im Vordergrund, aber wir betten sie in eine Geschichte ein, um die Wissensvermittlung interessant zu gestalten. Animationen, Ultraschallaufnahmen und Requisiten tragen zum besseren Verständnis bei. Durch diese Kombination entstehen Videos, die sowohl informativ als auch fesselnd sind.

Bei längeren Videos ist es schwierig, die Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen zu halten und sich nicht zu wiederholen. Wir versuchen, uns auf Prägnanz, visuelles Storytelling und zielgerichtete Inhalte zu konzentrieren. Unsere ansprechendste Videoreihe beruht auf folgendem Erfolgsrezept: kurz, visuell interessant, schlüssig und prägnant dargestellte Themen. Bei jedem Video geht es um einen einzigen Sachverhalt, damit die ZuseherInnen die Informationen in einer Minute erfassen können.

Tom Ushakov

Doctify: Wie passen Sie Ihre Inhalte für YouTube im Vergleich zu Instagram Reels und TikTok an? Es gibt schließlich Unterschiede beim Publikum und den Algorithmen der Plattformen.

Tom Ushakov: Wir stimmen unsere Inhalte auf die Stärken der jeweiligen Plattform und die Präferenzen des Publikums ab.

YouTube: Diese Plattform bevorzugt längere Inhalte, die es uns ermöglichen, Themen zu vertiefen und ein umfassendes Bild zu vermitteln. Dort bemühen wir uns vor allem um Wissensvermittlung. Meiner Meinung nach lassen sich Ultraschallbilder am besten im Querformat betrachten und analysieren.

Instagram Reels & TikTok: Diese Plattformen priorisieren kurze, ansprechende Videos. Hier ist unser Stil leichter und informeller. Wir beantworten z. B. häufige Fragen auf lustige Weise, als Meme. Ultraschallbilder zu zeigen ist dort schwierig, da das Hochformat die Auflösung mindert.

Kurz gesagt: YouTube wird zu unserer Bildungsplattform, während wir über Instagram und TikTok eher zwanglos mit den Menschen in Kontakt treten können. Mit diesem strategischen Ansatz wird sichergestellt, dass wir die richtigen Inhalte für die richtige Zielgruppe auf der richtigen Plattform bereitstellen.

Doctify: Gibt es Erfolgsgeschichten oder Erfahrungsberichte von PatientInnen, die Ihre Infovideos gesehen haben, die zeigen, was Sie mit Ihren Inhalten bewirken?

Tom Ushakov: Die positive Wirkung unserer Videos ist ungeheuer lohnend! Wir erhalten regelmäßig berührende Kommentare von PatientInnen, die uns berichten, wie sehr unsere Informationen ihnen auf ihrem Weg mit der Schwangerschaft geholfen haben. Zum Beispiel wenn es darum ging, sich bezüglich einer anstehenden Entscheidung zu informieren, zu verstehen, was ein nichtinvasiver Pränataltest (NIPT) ist, oder zu wissen, was bei einer Ultraschalluntersuchung zu erwarten ist.

Einigen haben besonders die Videos zur Entwicklung des Fötus in unserer Reihe „Pregnancy Week-by-Week“ gut gefallen, sie fanden sie sehr aufschlussreich. Andere schätzten die längeren Videos, in denen unsere SpezialistInnen vorgestellt werden, sie empfanden dies als beruhigend. Dadurch entstand ein Gefühl der Vertrautheit, und da die Mitglieder unseres Teams freundlich sind, hat es dazu beigetragen, etwaige Ängste im Zusammenhang mit den Ultraschalluntersuchungen auszuräumen.

Unsere Vision bei LPC ist es, hier noch einen Schritt weiter zu gehen! Künftig wollen wir Geschichten von PatientInnen in unsere Videos einbauen. Anhand authentischer Erfahrungen möchten wir zeigen, was Ultraschalltechnologie praktisch bewirken kann. Wir glauben, dass diese Geschichten bei jenen, die sich auf ihrer Schwangerschaftsreise in einer ähnlichen Situation befinden, großen Anklang finden werden.

YouTube wird zu unserer Bildungsplattform, während wir über Instagram und TikTok eher zwanglos mit den Menschen in Kontakt treten können. Mit diesem strategischen Ansatz wird sichergestellt, dass wir die richtigen Inhalte für die richtige Zielgruppe auf der richtigen Plattform bereitstellen.

Tom Ushakov

Doctify: Nehmen wir einmal an, Sie müssten Ihre Social-Media-Präsenz nochmal von Null aufbauen. Was würden Sie anders machen? Was sind die drei wichtigsten Ratschläge, die Sie anderen Gesundheitseinrichtungen geben würden, die ansprechende Inhalte erstellen wollen? Was haben Sie bei Ihren ersten Schritten mit Videoerstellung gelernt bzw. was bereuen Sie?

Tom Ushakov: Wir hätten gleich zu Beginn unsere tollen SpezialistInnen in den Videos einbinden sollen. Damit hätten wir unserem Content eine persönliche Note verliehen und auch dazu beigetragen, ihre Online-Präsenz zu stärken und eine engere Verbindung zum Publikum herzustellen. Ein Fehler war, Videos ganz ohne Personen und Sound zu produzieren; dadurch wurde ihre Auffindbarkeit und Wirkung stark eingeschränkt.

Es wäre auch nützlich gewesen, frühzeitig Content auf Vorrat zu erstellen. Auf diese Weise ist regelmäßiges Posten garantiert und es ermöglicht uns, unsere Strategie auf Basis von Feedback zu optimieren.

Teures Equipment ist nicht entscheidend; eine strategische Investition in einfache Videotools kann die Produktionsqualität von Anfang an deutlich verbessern. Heutzutage kann jeder ein iPhone verwenden, um Videos zu erstellen, so wie wir es tun, in Kombination mit einem guten Mikrofon, um störende Audioprobleme zu vermeiden.

Sie haben völlig Recht, dass es im medizinischen Bereich herausfordernd sein kann, Markenbewusstsein und Vertrauen aufzubauen. Die Menschen sind naturgemäß vorsichtig und gehen oft davon aus, dass man mit Inhalten aus dem Gesundheitswesen etwas verkaufen will. Deshalb stellen wir Bildungsinhalte in den Vordergrund, insbesondere auf YouTube. Unsere Priorität ist es, informative Videos zu kreieren, die sich mit realen Patientenanliegen befassen und den Menschen hilfreiches Wissen an die Hand geben.

Dieser Einsatz für Transparenz und Information hat zu einem organischen Wachstum unserer Aufrufe geführt. Wir sind davon überzeugt, dass unser Publikum die seriösen Infos, die wir bieten, zu schätzen weiß, was wiederum Vertrauen schafft und unsere Marke stärkt. Das beweist, wie wirkungsvoll authentischer Content in der Medizin ist.

Wir nutzen nun die Fülle an Wissen in unserem Team, um hochwertige, informative Videos zu erstellen, in denen echte Patientenfragen beantwortet werden.

Tom Ushakov

Doctify: Welche Tipps zum Strukturieren von Videoinhalten haben Sie für AnbieterInnen im Gesundheitswesen, die gerade erst anfangen? Was sollten sie vor allem in Sachen Formate, Länge und Storytelling-Techniken beachten, um spannenden und effektiven Content zu machen?

Tom Ushakov: Bedenken Sie, auf welcher Plattform Sie aktiv sein wollen. Bei YouTube sind ausführliche Erklärungen angebracht, während bei Instagram und TikTok kurze, aussagekräftige Beiträge bevorzugt werden. Experimentieren Sie mit Erklärvideos, Interviews, Anleitungen oder Erfahrungsberichten von PatientInnen, damit Ihre Inhalte frisch und abwechslungsreich bleiben. Es gibt kein Patentrezept, aber wichtig sind Kreativität und Verständlichkeit.

Vor allem auf Social Media sollten Sie auf kürzere Videos setzen, die schnell die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Für YouTube sollten Sie komplexe Themen in gut nachvollziehbare Abschnitte unterteilen, die sich auch in kürzere, vertikale Videos für andere Plattformen umwandeln lassen. Achten Sie darauf, die Kernbotschaft in einem kurzen Zeitrahmen zu vermitteln, um die ZuschauerInnen bei der Stange zu halten und ihr Interesse für weitere Videos zu wecken.

Es sollte auch klar und deutlich gesprochen werden und medizinische Fachbegriffe sind sparsam einzusetzen, also nur falls notwendig. Das Erläutern von Fachbegriffen und Abkürzungen hilft Ihrem Publikum beim Verständnis. Animationen, Ultraschallbilder und Requisiten sind wirksame visuelle Hilfsmittel, um komplexe Konzepte zum Leben zu erwecken und das Interesse zu steigern.

Zum Beispiel verwendet unser ärztlicher Leiter Dr. Fred Ushakov ältere Geräte aus der Geburtshilfe, um den technischen Fortschritt zu veranschaulichen. Er vergleicht dies mit modernen Ultraschalluntersuchungen und zeigt dabei eindrücklich, wie groß ein Baby in den verschiedenen Stadien ist. Damit wird auf verständliche und spannende Weise Wissen zum Thema Schwangerschaft vermittelt.

💡 Sie interessieren sich für weitere praktische Tipps, wie ÄrztInnen ansprechende Videos zu Ihren Fachthemen erstellen können? In diesem aktuellen Blogartikel finden Sie Ratschläge von Dr. Vishaal Virani, dem Verantwortlichen für Partnerschaften im Gesundheitsbereich bei YouTube UK & Irland, sowie einer Reihe von FachärztInnen, die ebenfalls Videos veröffentlichen: Dr. James O’Donovan, Dr. Karan Rajan, Dr. Liz O’Riordan und Dr. Aziza Sesay.

Sie möchten Ihr Profil mit ansprechenden Video-Inhalten aufwerten?

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